Christian Joisten

Rede im Rat der Stadt Köln am 19.12.2017 zu TOP 10.43 „Gründung einer Wirtschaftsförderungs-GmbH“

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,

sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

Zunächst einfach mal ein paar Fakten:

  • Köln hat mit einem Gewerbesteueraufkommen von 1,3 Mrd. EUR einen Allzeitrekord gebrochen.
  • Bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen hat Köln mit weit über eine halbe Millionen Beschäftigen (genau 553.000) ebenfalls einen historischen Höchststand erreicht.
  • Mit Unternehmensansiedlungen wie Zürich Versicherung, Kienbaum, Transgourmet, REWE Digital bzw. dem Erhalt von Unternehmen in Köln, wie z.B. EASA, Strabag, Germanwings oder Peugeot-Citroen konnten in den vergangenen Jahren fast 8000 Arbeitsplätze für Köln geschaffen bzw. gesichert werden.
  • Und auch bei den Klein- und Mittelständischen Betrieben ist Köln gerade Spitze: Neben den über 1000 neuentstandenen Arbeitsplätzen in diesem Segment auf dem ehemaligen CFK-Gelände in Kalk, hat die Wirtschaftsförderung allein in 2017 40 Verkaufsvorlagen für Gewerbegrundstücke erwirkt – dies ist ebenfalls ein Rekord!
  • Und das erste Gutachten zur Wirtschaftsförderung von Boston Consulting kommt ja zu dem Schluss, dass die Kölner Wirtschaftsförderung auch im nationalen Vergleich sehr gute Ergebnisse erzielt.

Über welches wirklich große Problem sprechen wir vor diesem Hintergrund denn eigentlich heute hier? Wo ist der so dringende Handlungsbedarf zu erkennen, der das aktuelle Vorgehen der Oberbürgermeisterin rechtfertigen würde, diese Vorlage ohne jede fachliche Begleitung der entsprechenden Ausschüsse durch diesen Rat zu peitschen? Und dies obwohl das KPMG-Gutachten in der Verwaltung bereits seit einigen Monaten bearbeitet und weiterentwickelt wurde, bis alles so gefällig war, wie wir es jetzt vorfinden. Und nachdem Sie sich dafür so dermaßen viel Zeit genommen haben, soll die ehrenamtlich arbeitende Politik jetzt eine so weitreichende Entscheidung ohne Not innerhalb von nicht einmal 14 Tagen treffen – das kann man nur noch als respektlos gegenüber allen Beteiligten, vor allem aber der Wirtschaft gegenüber,  bezeichnen.  ,

Und wenn Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, mal die Wirtschaftsakteure fragen würden,  und da sprechen sogar die Interviews im Rahmen des Gutachtens eine deutliche Sprache, dann würde schnell sehr deutlich, dass diese zum einen in der Masse sehr zufrieden mit der Leistung der Wirtschafsförderung sind! Und zum anderen würde deutlich, dass die Probleme, die genannt werden, nicht auf die Organisationsform der Wirtschaftsförderung zurück zu führen sind, sondern vielmehr in fehlender Finanzausstattung und einem nicht an klaren Prioritäten ausgerichteten Flächenmanagement zu suchen sind

Dennoch soll also ohne erkennbare Not augenscheinlich höchsterfolgreich arbeitende Strukturen zerschlagen, dabei über  750 Jahre Erfahrung in Wirtschaftsförderung, Standortkenntniss, Wissen zu Örtlichkeiten und Unternehmen, Kontakte innerhalb der Verwaltung usw. einfach über Bord geworfen und durch völlig unausgegorene neue Strukturen ersetzt werden, die scheinbar vor allem eines mit sich bringen sollen: gut bezahlte Geschäftsführerpositionen – für wen auch immer….

Und was in aller Welt soll der Kölner Stadtrat denn  heute eigentlich beschließen? Einen Auftrag an die Verwaltung, jetzt mal ein echtes Konzept bzw. in der Sprache der Privatisierungsfans, einen „Businesscase“, zu erstellen und der Politik wieder vorzulegen? Denn das, was Sie, Frau Oberbürgermeisterin, uns hier  vorgelegt haben ist bestenfalls eine Ideensammlung, aber sicherlich kein in sich schlüssiges Konzept!

Oder sollen wir hier tatsächlich auf der Basis dieser „Ideensammlung“ eine endgültige Entscheidung über ein Abenteuer völlig ungewissen Ausgangs treffen, ohne dass irgendwelche Kosten kalkuliert, Risiken abgewogen oder gar echte Alternativpläne vorgelegt wurden? Die uns vorliegende Beschlussvorlage ist genauso wie das zugrundeliegende Gutachten  „Handwerklich schludrig, parteipolitisch einäugig, in der Konzeption mit ausschließlich negativen Effekten ausgestaltet und weit entfernt von den Zielen, die der Rat vor genau einem Jahr selbst formuliert hat“ – wie es die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi treffend formuliert hat!

Denn wie kann man in einer solchen Beschlussvorlage, die doch gerade Veränderungsbedarfe thematisieren und Verbesserungen generieren soll,  jede klare Zielformulierung vermeiden? Wie kann man unter nur halbwegs seriösen Gesichtspunkten tatsächlich behaupten, eine solche Umwandlung eines städtischen Amtes in eine privatrechtliche GmbH, die ausweislich des Gutachtens, gerade mit besonders „leistungsanreizenden“ Gehältern locken soll und in die mutmaßlich der überwiegende Teil der Bestandsmitarbeiter nicht wechseln wird, könnte OHNE haushaltsmäßige Auswirkungen erfolgen?

Und wie kann man ernsthaft eine neue Struktur vorschlagen, ohne die genauen Rahmenbedingungen, wie z.B. die ominöse „herausgehobene Dienststelle Wirtschaftsförderung“ klar zu umreißen und  entsprechende Verantwortlichkeiten zu benennen?

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen –  wenn doch etwas besser werden muss in dieser Stadt, gerade auch in Hinblick auf Ansiedlung und Erhalt von Wirtschaftsunternehmen, dann das Zusammenspiel der Fachämter untereinander bzw. die Steigerung deren Leistungsfähigkeit, wofür in Teilen schlicht zusätzliches Personal erforderlich wäre, welches der Stadtdirektor aber ja bekanntlich nicht einstellen möchte…

Durch die Gründung eines privatrechtlichen Unternehmens wird jedenfalls keine zusätzliche Gewerbefläche in dieser Stadt geschaffen, keine Baugenehmigung schneller ausgestellt oder irgendein Verkehrsproblem gelöst. Ganz im Gegenteil: Das aktuelle AMT für Wirtschaftsförderung ist so erfolgreich wie oben beschrieben, WEIL es Teil der Stadtverwaltung ist und auf eine Vielzahl von Informationen zugreifen sowie Prozesse aktiv steuern bzw. unterstützen kann. Diese Möglichkeit wird ein privatrechtliches Unternehmen  schon aus rechtlichen Gründen niemals haben können!

Ich bin dem früheren und bis heute in der Kölner Wirtschaft höchst respektierten Wirtschaftsdezernenten Norbert Walter-Borjans sehr dankbar, dass er in seinem öffentlichen Statement noch einmal herausgearbeitet hat, um was es wirklich geht, wenn wir die Wirtschaft in dieser Stadt tatsächlich FÖRDERN wollen:

Er sagt (ich zitiere):  „Viel entscheidender als die Organisationsform von Stadtmarketing, Wirtschaftsförderung und Unternehmensservice sind für den Erfolg die handelnden Personen, vor allem deren Vernetzung in Wirtschaft, Politik UND Verwaltung. Außerdem muss ein Repräsentant der Kölner Wirtschaftsförderung das Lebensgefühl in der Stadt mit wirtschaftlicher Erfolgsorientierung verbinden. Er oder sie sollte die Stadt kennen und vor allem mögen. In Köln gilt das noch mehr als anderswo. Gute Wirtschaftsförderung überzeugt mit der Qualität der Dienstleistung, jederzeitiger Ansprechbarkeit und Verlässlichkeit – und auch über das Klinkenputzen bei potenziellen Interessenten außerhalb Kölns, national und international.“

Genau dies tut das Amt für Wirtschaftsförderung doch nun seit Jahren und das überaus erfolgreich, erst recht gemessen am sehr überschaubaren Budget. Was möglicherweise derzeit fehlt ist ein wirklicher Kopf an der Spitze, der die drei Spielfelder Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Köln auch wirklich zusammenführt – aber für die aktuelle Vakanz im Wirtschaftsdezernat sind genau diejenigen Verantwortlich, die uns nun zu schnellen Entscheidungen drängen wollen.

Lassen Sie uns also heute hier diesen Weg der unkalkulierbaren Kosten, der völlig offenen Erfolgsaussichten und der Zerstörung erfolgreicher Strukturen verlassen und aktiv daran arbeiten, das Wirtschaftsdezernat wieder mit einem wirklich guten Kopf zu besetzen, das Amt für Wirtschaftsförderung mit einem deutlich erhöhten Etat auszustatten und gerne auch weitere Optimierungen,  wie die Gründung eines Beirates aus Unternehmen und Verbänden, ins Auge zu fassen –  aber lassen Sie uns nicht 750 Jahre Wirtschaftsförderungs-Know-How in die Tonne kloppen und ein völlig unkalkulierbares Abenteuer zu Lasten der Kölner Wirtschaft starten. Das kann sich Köln gerade angesichts des zunehmenden Wettbewerbs der Metropolen einfach nicht leisten!

Gehen Sie in sich und denken Sie darüber noch einmal nach – gerne auch bis zur nächsten Ratssitzung! Denn die Zeit sollten wir uns nehmen – das sind wir unserer erfolgreichen Wirtschaft in Köln schuldig!

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